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Montag, 08.01.2024 8:58

I091

1836 (ca.) | Hammerflügel o.Nr. [?] Jean Baptiste Cluesman (Paris)

Kurzcharakteristik: Jean Baptiste Cluesman stand mit seinen zahlreichen Erfindungen und Patenten zu Lebzeiten nicht weit hinter seinem Pariser Kollegen Jean Henri Pape oder seinem Londoner Kollegen William Stodart zurück, ist heute aber fast ganz vergessen. Seine Lebensdaten sind unbekannt, was wohl mit einer besonderen "Tragik" seines unternehmerischen Daseins zusammenhängt: Ist doch seine Klavierfabrik, in der bis zu 60 Arbeiter rund 100 Instrumente im Jahr herstellten, nicht nur einmal abgebrannt, er selbst auch wohl wiederholt in Konkurs gegangen. Er genoss zu Lebzeiten hohes Ansehen.

Vielleicht stammt Jean Baptiste Cluesmann wie [Johann Heinrich / Jean Henri] Pape ebenfalls aus dem deutschsprachigen Raum [mögliche deutsche Namensform: Johann Baptist Klusmann]; Lieve Verbeeck gibt an (oder zitiert): "Cluesman était un facteur autrichien qui s'installait à Paris" [siehe Literatur]. Das Geburtsjahr von Cluesman kann im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts vermutet werden.

Mit Pape hat Cluesman die Neigung zu besonderer äußerer Formgebung, mit Stodart eine Idee, den zunehmenden Saitenzug mit eisernen Streben - hier sogar auf derselben Ebene wie der zu kompensierende Saitenzug, um verwindende Kräfte zu minimieren, - aufzufangen, gemein. Beide zentrale Patente sind in diesem Exemplar eines Cluesman-Konzertflügels verkörpert.

Bisher sind - laut Internet-Recherche - mehrere erhaltene aufrechte Klaviere von Jean Baptiste Cluesman (Firmengründung 1823 in Paris, Konkurs Juli 1847, letztmals in Paris nachweisbar 1858) bekannt; dieser Hammerflügel aus der Fertigung von Cluesman ist derzeit der einzig bekannte erhaltene. Der Flügel weist zahlreiche Besonderheiten auf, und Cluesman war der Fachwelt als Erfinder und durch zahlreiche Patentanmeldungen bekannt:

  • Das Auffälligste ist die mit 85 mm (!) extrem niedrige Korpus-Höhe (eine derartige Bauweise wurde erst im 20. Jahrhundert wieder aufgegriffen - so z.B. von Rippen und wohl in Unkenntnis der Gestaltungen von Cluesman. Die Furnierung, insbesondere die eingelassenen hellen Adern, lassen die Konstruktion Cluesmans so wirken, als sei der Mechanik-Teil "von unten" an den flügelförmigen Korpus angesetzt.
  • Diese niedrige Korpus-Höhe wird dadurch ermöglicht, dass der Resonanzboden in Streifen geteilt ist, zwischen denen sich (insgesamt sieben) senkrechte Eisenspreizen, die ungefähr Korpus-Höhe erreichen, befinden. Der Resonanzboden besteht also aus sechs einzelnen, miteinander nicht verbundenen Einzelstreifen.
  • Die sieben Eisenspreizen werden durch sechs orthogonal zu diesen laufende Holzleisten in ihrer Lage fixiert. Diese Leisten bilden zugleich das "Gerüst" für die Korpuswände.
  • Der Stimmstock ist ebenfalls extrem schlank - vor allem in der Höhe minimiert, um auch die Gesamtbauhöhe im vorderen Mechanik-Bereich so gering wie möglich zu halten.
  • Cluesman erhielt Patente u.a. für Feinstimmer. Erklärtes Ziel war eine länger andauernde Stimmhaltung. Bei diesem Flügel befinden sich bei den Diskant-Saiten [g bis f4] die Wirbel zum Aufziehen der Saiten als Anhang "hinten" und besondere Feinstimmer "vorne", nämlich dort, wo beim herkömmlichen Klavierbau die Stimmwirbel sind.
  • Die Deckelstütze befindet sich nicht am üblichen Ort (Abstützung ungefähr an der rechten Korpuswand im Bereich der größten Deckel- bzw. Instrumentenbreite), sondern "im" Instrument. Dies ergibt ein weiteres Mosaik-Steinchen eines "andersartigen" Erscheinungsbildes.
  • Das Instrument weist ein besonderes, sich in der Tastendeckelklappe versenkendes Notenpultauf.
  • Länge: 242 cm
  • Breite: 125 cm
  • Umfang: C1 bis f4 (sechseinhalb Oktaven; 78 Tasten)
  • 2 Pedale (Verschiebung, Dämpfungsaufhebung)
  • englische Mechanik mit befilzen (obere Schicht) und belederten (zwei untere Schichten), gelochten Hammerköpfen, aufliegende Dämpfung
  • Bezug einchörig umsponnen C1 bis F1; (6 Töne); Bezug zweichörig FIS1 bis DIS (10 Töne); Bezug dreichörig blank E bis f4 (62 Töne)
  • Signierung (Tusche auf hellem intarsiertem Holz oberhalb der Klaviatur): "Mèdaille d'or, exposition de / 1836 / Cluesman, / Facteur de Pianos, R. Favart, Nr. 4 / A PARIS"
  • Seriennummer: noch nicht ermittelt

Provenienz: Aus französischem Privatbesitz. Erwerb für die Sammlung Dohr von Jay Mallory / Palace Pianos (Paris) über Claudia Klinkenberg (Ettlingen) im Juni 2015.

Literatur: Martha Novak Clinkscale: Makers of the Piano, 1820-1860. Oxford: Oxford University Press 1999, S. 85f.; Internet-Recherchen (z.B. Dokumentensammlung von Lieve Verbeek = http://www.lieveverbeeck.eu).

Hammerflügel Jean Baptiste Cluesman (Paris)
Hammerflügel Jean Baptiste Cluesman (Paris)
Hammerflügel Jean Baptiste Cluesman (Paris)
Hammerflügel Jean Baptiste Cluesman (Paris)

Hammerflügel Jean Baptiste Cluesman (Paris)