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Montag, 08.01.2024 8:58

I003

1786 | Tafelklavier Sébastien Erard, Paris

Signatur auf Vorstecker: Sebastianus Erard Parisiis 1786 Rue du Maille Nr. 37; Signatur rechts auf dem Stimmstock: Sebastien Erard à Paris 1786; auf den Resonanzboden am Stimmstock heute nicht mehr leserliche Instrumenten-Nummer geschrieben[1]

Tafelklavier Sébastian Erard, Paris 1786; spielbereit
Tafelklavier Sébastian Erard, Paris 1786; Vorstecker
Tafelklavier Sébastian Erard, Paris 1786; Grundriss
Tafelklavier Sébastian Erard, Paris 1786; Mechanikdetail
Tafelklavier Sébastian Erard, Paris 1786; Stößer
Tafelklavier Sébastian Erard, Paris 1786; Korpusboden
Tafelklavier Sébastian Erard, Paris 1786; Mechanik
Tafelklavier Sébastian Erard, Paris 1786; Funktionsweise engl. Mechanik ohne Auslösung
Tafelklavier Sébastian Erard, Paris 1786; Aufsicht vorne links
Tafelklavier Sébastian Erard, Paris 1786; geöffnet
Tafelklavier Sébastian Erard, Paris 1786; Kniehebel Unterboden
Tafelklavier Sébastian Erard, Paris 1786; Signierung auf Vorstecker

 

Daten

  • Länge: 1555 mm
  • Breite:  550 mm
  • Korpushöhe:  210 mm
  • Gesamthöhe 815 mm
  • Untertasten 131 mm sichtbare Länge, Belag Elfenbein
  • Obertasten 88 mm Länge, Ebenholz
  • Stichmaß: 488 mm
  • Umfang: F1 – f3 = 5 Oktaven

Mensur

  • F1 = 1356 mm
  • C = 1144 mm
  • F = 1000 mm
  • c = 833 mm
  • f  = 708 mm
  • c1 = 536 mm
  • f1 = 421 mm
  • c2 = 303 mm
  • f2 = 231 mm
  • c3 = 155 mm
  • f3  =  114 mm

Mechanik: einfache Stoßmechanik ohne Auslösung (nach Muster engl. Tafelklaviere der Zeit) mit rechteckigem Hammerstilquerschnitt und Hammerführung mittels im Hammerstiel verlaufenden Stiften; Hammerköpfe mehrschichtig beledert; Tastenhebel im Waagebalken mit Kasimir (nicht original) garniert, ohne Bäckchen, Vordertastenführung mit Ledergarnierung.

Korpus massiv Mahagoni, Rückwand massiv Eiche, helle Einlegeadern an Zarge (außer Rückwand) und Außendeckel; Klaviaturraum Ahorn furniert mit Zieradern; auf der Innenseite der Deckelklappe befestigtes Notenpult; vier originale Beine im Stil Louis XVI

Dämpfung: Hebeldämpfung mit Oberfedern, Püscheldämpfung

Veränderungen: zwei Kniehebel (rechts Dämpferaufhebung, links Laute)

Bezug: durchgängig zweichörig, von F1 bis Es Messing elf Chöre mit weiter Umspinnung, von E bis es zwölf Chöre Messing Blankbezug, sonst Stahl; rechtsstimmig, Wirbel von F1 bis G1 in Dreierreihen, dann in Viererreihen; Wirbelform: rechteckiger Querschnitt

Zustand: Restaurierung durch J.C. Neupert Bamberg 2006. Spuren einer vorhergehenden Restaurierung erkennbar, in deren Rahmen u.a. folgende Arbeiten durchgeführt worden: Abschleifen des Resonanzbodens; Ausspänen mehrere Resonanzbodenrisse; Erneuerung des Saitenbezuges; Garnierung der Waagbalkenführung; Neugarnierung der Dämpfer; alte Halterungen für Klangboden noch vorhanden; wohl neue Untertasten-Beläge kein Werkzeugfach vorne links

Kurzcharakteristik: Es handelt sich um ein sehr frühes (derzeit das zweitälteste bekannte[2]) Tafelklavier von Sébastién Erard (Strasbourg 1752 bis Passy/Paris 1831). Nur vier Tafelklaviere sind bis heute erhalten.[3] Dieses Instrument zeigt in Konstruktion und Aussehen deutliche Anlehnung an die typischen englischen Tafelklaviere der Zeit; so basiert es noch ganz auf der einfachen englischen Stoßmechanik, die Erard seit 1776 in Paris nachbaute. Es ist damit noch nicht Beleg für seine Innovationskraft, sondern für seine Wurzeln. Ungewöhnlich ist der sehr eigenwillig gewählte Verlauf der Jahresringe des Resonanzbodens: Die Jahre des Resonanzbodenholzes (Fichte) verlaufen sternförmig zentriert auf die rechte vordere Gehäuseecke zu. Das Instrument besaß ursprünglich einen heute nicht mehr vorhandenen, sich über den Bereich des Resonanzbodens erstreckenden, einlegbaren Klangboden.

Provenienz: erworben im Sommer 2000 über den vermittelnden Handel (J. C. Neupert, Bamberg) aus der Instrumenten-Sammlung der Kölner Pianistin und Musikwissenschaftlerin Dr. Grete Wehmeyer (5. Oktober 1924 - 18. Oktober 2011).

Literatur:

  • Art. Erard, in: Schilling (Hg.), Encyklopädie der gesammten musikalischen Wissenschaften, oder Universal-Lexicon der Tonkunst. Dritter Band. Stuttgart: Franz Heinrich Köhler 1836, S. 613f.
  • Oscar Paul, Geschichte des Claviers, Leipzig 1868, S. 128ff.
  • Art. Pianoforte, in: Mendel/Reissmann, Musikalisches Conversations-Lexikon, Bd. 8 (1877), S. 85-91, hier S. 91.
  • Edgar Brinsmead, The History of the Pianoforte, London 1889, S. 123 u. S. 132.
  • Alfred Dolge, Pianos and their makers, 1911, Reprint New York 1972, S. 48.
  • Blüthner/Gretschel, Der Pianofortebau, 4. Aufl. Leipzig 1921, S. 31.
  • Pierce Piano Atlas, 8. Aufl. Termino/CA 1982, S. 95
  • Margaret Cranmer et al., Art. Erard, in: The New Grove Dictionary of Music and Musicians, 6. Aufl. 1985, Vol. 6, S. 219f.
  • Martha Novak Clinkscale, Makers of the Piano 1700-1820, Oxford 1993, S. 96-101.
  • Edmund Michael Frederick: Art. Erard, Sébastien (et frères). in: Robert Palmieri (Hg.): Encyclopedia of the Piano, New York / London 1996, S. 125-127 [beschäftigt sich nicht mit Tafelklavieren!].
  • Hubert Henkel, Besaitete Tasteninstrumente (Kat. Slg. d. Deutschen Museums München), Frankfurt 1994, S. 224-226 [beschreibt ein vier Jahre jüngeres Instrument].
  • Le pianoforte en France et ses descendants jusqu’aux  années trente, Paris: Agence Culturelle 1995 [enthält mehrere Artikel über Erard].
  • Jan Großbach, Atlas der Pianonummern, 9. Aufl. Frankfurt/Main 1999, S. 98.
  • Christoph Dohr: Acht Tafelklaviere der Sammlung Dohr. in: Schmuhl (Hg.), Geschichte und Bauweise des Tafelklaviers, Augsburg u. Michaelstein 2006, S. 389-406.

[1] Die Instrumentenbeschreibung greift z.T. auf ein Gutachten von Wolf Dieter Neupert, Bamberg, vom 16. Februar 2000 zurück.

[2] Vgl. Martha Novak Clinkscale, Makers of the Piano 1700-1820, Oxford 1993, S. 96-101.

[3] Ebd.