1932 | Spinettino Maendler-Schramm (München) #318
Notabene: Der nachfolgende Instrumentenbeschreibungs-Text zu Instrument #318 wurde nach dem Fund von Instrument #309 im März 2014 grundlegend überarbeitet.
Identifikation: Name in Versalien auf Vorsatzbrett intarsiert: "Maendler-Schramm München"; Seriennummer vorne rechts eingeschlagen: 318; Schlagstempel auf erstem Tastenhebel (und zwar beidseitig): "Erste Reussische Klaviaturfabrik / Raaz & Gloger / Langenberg-Thür."; Schlagstempel-Nummer auf Innenseite der Taste: 63281.
Instrumentenbeschreibung: Hausmusikinstrument mit minimalen Ausmaßen [das Modell ist mit x,x kg ausgesprochen leicht und durchaus mit einer Hand unter dem Arm zu tragen] und mehreren konstruktiven Besonderheiten; Tischinstrument ohne Beine und ohne Untergestell; von der Denkweise her Rastenkonstruktion [allerdings ohne "Raste" i.e.S.] mit im Bereich des Resonanzbodens offenem Unterboden. Klaviaturrahmen von unten in den Korpus eingeschraubt und ohne Beseitigung des "Vorsteckers" herausnehmbar.
Der Mittelteil des (inkl. anhängender, senkrechter Tastenklappe viergliedrigen) sich vorne und hinten schmetterlingsflügelartig öffnenden Instrumentendeckels ist starr und fungiert zugleich als Dockenleiste. Durch diesen konstruktiven Kniff besitzt das Instrument eine sehr geringe Bauhöhe. Der vordere Teil des Deckels ist im geöffneten Zustand zugleich Notenpult - dies jedoch nur in dem Fall, dass der hintere Teil des Deckels aufgestellt ist. Die Notenauflageleiste ist mittig unter das die Dockenleiste bildende Deckelsegment geschraubt. Deckel nicht abschließbar oder für Transportzwecke arretierbar; vordere Tastenklappe jedoch rastbar (li. u. re.). Das Instrument besitzt einen fünfeckigen Grundriss; das Maß der parallel zur Instrumentenvorderkante verlaufenden Rückwand beträgt 210 mm, das der schrägen Rückwand 660 mm. Den Korpusmaßen des Instrumentes entsprechend, ist auch die Klaviatur auffallend klein dimensioniert.
Weitere Auffälligkeit ist der stark wandernde Saitenanreißpunkt, hervorgerufen vor allem durch die Mensurverkürzung der untersten 15 Saiten, die so extrem ist, dass die tiefsten Saiten kürzer sind als diejenigen eine Oktave höher. Die Mensur hat einen deutlich vom normalen abweichenden Verlauf, nicht nur in der Tiefe, sondern auch im mittleren Bereich (Tabelle siehe Instrument #309). Pauschal betrachtet, bewegen sich die unteren 18 Saiten längenmäßig annähernd im gleichen Bereich und unterscheiden sich lediglich durch Dicke und Spannung.
Disposition: ein Register (8'); Holzspringer mit schwerer unterer Messing-Pilote (unten in Pfannenlager auf Tastenhebel geführt, oben in gestanzten, geschraubten Einzelmessing-Rechen), Lederkiele; doppelte Filzdämpfer an in der Höhe justierbarem Messingträger; Lauten"zug" mittels Drehknopf (rechts in Vorsatzbrett) vertikal zu bewegen; vorder- und linksstimmig; s-förmiger Klangsteg, parallel zu diesem s-förmiger Lautenzug (Wirkung also nicht nahe dem Anzupfpunkt, wie sonst üblich, sondern am Klangsteg!). Basswandleiste im Bereich des Resonanzbodens beim Klangsteg ausgespart. Bezug im Bass- und Mittelbereich parallel, im (hohen) Diskant leicht strahlenförmig. Das Instrument weist die spinett-typische ganztönig alternierende Anordnung von Springer- und Saitenpaaren auf. Tiefste Basssaite hinten im Instrument, somit typische "Spinett-Bauweise" ("geschwenktes Cembalo"; im Gegensatz zur Virginal, Clavichord- und überwiegenden Tafelklavierbauweise [Sonderfälle siehe dort!], bei der die tiefste Saite vorne im Instrument liegt).
- Breite: 823 mm (inkl. Deckel)
- Tiefe: 553 mm (rechts; inkl. Deckel); 283 mm (links; inkl. Deckel)
- Korpushöhe (inkl. Deckel): 145 mm
- Gesamthöhe 850 mm
- Untertasten: 92 mm sichtbare Länge, Belag: Obstholz
- Obertasten: 50 mm Länge, Belag: schwarz gebeiztes Obstholz
- Stichmaß: 462 mm
- Umfang: F - f3 = vier Oktaven
Restaurierung 2006 durch J. C. Neupert, Bamberg
Provenienz: aus dem norddeutschen Kunst-/Antiquitätenhandel; Erwerb für die Sammlung Dohr: 2005.
Zur Datierung: (1) Das Instrument wurde von einem Antiquitätenhändler, der das Instrument aufgrund seiner Optik auf "um 1920" datierte, an die Sammlung Dohr verkauft. (2) Zu Maendler-Schramm gab es bisher keine publizierte Nummernliste (vgl. Jan Großbach, Altlas der Pianonummern, 10. Aufl. 2005, S. 217 u. S. 303). Das Instrument #274 lässt sich auf Februar 1932 datieren (siehe Einführungstext zu Maendler-Schramm). (3) Es gibt jedoch eine Nummernliste zum Hersteller der Klaviatur: Jan Großbach (a.a.O., S. 464) gibt für 1910 #25000, dann erst wieder für 1924 #238462 an. Wahrscheinlich handelt es sich allerdings um einen Übertragungsfehler bei Großbach: #28462 scheint realistisch für 1924. Großbach kann für 1917 erstmals "Raaz & Gloger" als Firmierung der "Ersten Reussischen Klaviaturfabrik" angeben. (5) siehe die im Einführungstext wiedergegebene Liste, die in Zusammenarbeit mit Lothar Bemmann entstand.